Montag, 6. April 2020

Regie in Zeiten von Corona


Kurze Skizze für eine besondere Zeit


3 Personenstück

Natalia. Regisseurin
Thomas. Schauspieler
Markus. Schauspieler

Die Regisseurin kann nicht mit den Schauspielern im selben Raum sein, weil man nur maximal zu zweit sein darf. Die Regisseurin ist alleine. Sie ist in ihrem Wohnzimmer. Sie entscheidet sich die Regie über Skype zu führen. Im Hintergrund sieht man viele Fotos und Leinwände. Sie malt, wenn sie Zeit hat. Jetzt hat sie in dieser besonderen Zeit, mehr Zeit. Die Regie ist aber jetzt wichtiger als das Malen.

Es gibt eine kleine Bühne. Die Bühne ist ein Zimmer. Man kann auf der kleinen Bühne die Regisseurin durch einen Bildschirm sehen oder an einer Wand projiziert. Dadurch kann man als Zuschauer die Gestik der Regisseurin sehen und ihren Stress, weil sie unter Druck ist.

Die Regisseurin hat die Entscheidung getroffen, die Regie von zuhause zu führen. Sie hat vermutet, dass ihre Aufführung wegen Corona nicht stattfinden wird, aber sie ist ein bisschen stur und wollte doch eine Premiere mit ausverkauftem Theater feiern. Davon ist nichts geblieben, sie muss sich etwas Neues ausdenken. Sie und die Schauspieler haben aber keine Ahnung, was sie machen werden. Sie haben auch Angst, weil es eine komische, besondere Zeit ist. Sie sind unter Druck.

Auf der anderen Seite, in einem Raum, in dem Zimmer einer der Schauspieler, befinden sich nur zwei Schauspieler. Diese Schauspieler können sich nicht vertragen, aber sie wurden von den 31 Schauspielern, die vor der Premiere auf der Bühne standen, von der Regisseurin ausgewählt. Jetzt muss die Regisseurin, ohne  Dramaturgin, ohne Regieassistenz, etc. ein anderes Stück mit beiden Schauspielern entwickeln. Alles geht in dieser besonderen Zeit nur online. Sie will bei jeder Aufführung präsent sein, man wird sie auf dem Bildschirm sehen. Immerhin hat sie die Schauspielschule nicht umsonst besucht. Das Thema ist noch unbekannt. Sie werden vor der Premiere proben, die Premiere wird nicht online stattfinden, sondern mit echtem Publikum, aber die Regisseurin wird als Regisseurin spielen. Sie denkt so: Alles ist eine Herausforderung in dieser Zeit von Corona, aber nicht alles ist verloren.

Die Regisseurin ruft zu dem ausgemachten Termin per Skype an.
Beide Schauspieler rennen in die Mitte des Raums damit sie von der Regisseurin gesehen werden.
Einer der Schauspieler möchte, dass das Stück über das Thema Umwelt handelt. Der Schauspieler heisst Thomas und wohnt in Frankfurt. Der Schauspieler meint, dass die Luft zur Zeit so sauber ist. Und dieses Virus den Flugverkehr stoppt, und dass alles so schön und ruhig ist, er kann besser zuhören: ruhig zuhören, schweigend zuhören, aufmerksam zuhören,  staunend Zuhören, etc. Die Menschen machen endlich Etwas, auch wenn unabsichtlich, für die Welt und Umwelt. Bestimmt ist Greta sehr,  sehr  glücklich, sagt Thomas.

Die Verbindung mit der Regisseurin wird unterbrochen, weil alle zur Zeit im Internet sind.
Sie ruft wieder an.

Markus, der andere Schauspieler ist im Gegensatz von Thomas sehr beunruhigt. Er ist selbständig, er ist Künstler und er weisst nicht, wie alles weiter geht. Dabei ist die Regisseurin Gastregisseurin und der andere Schauspieler hat eine Feststelle im Theater. Markus sagt, dass alle Mittel und Ressourcen  in die Behandlung der Erkrankten investiert werden würden bis die Wege der Seuche über Deutschland hinweggezogen ist, und dass alles sehr lange dauern wird.

Die Verbindung durch Skype ist wieder unterbrochen. Die Schauspielerin/Regisseurin Natalia wird nicht mehr anrufen.

Die Schauspieler warten auf die Regisseurin. Währenddessen beginnen beide zu streiten, sich zu verstehen, und wieder zu streiten. Sie beginnen über die Missverständnisse, Egoismus, Einsamkeit, Sturheit der Menschen zu reden und sehen sich selbst nicht als egoisten oder arrogante Menschen.
Sie dürfen sich nicht zu nahe kommen, sie müssen Abstand halten (ca.1, 5m), das passt, sie sind keine Freunde. Aber nach einem langen Dialog, kommen sie näher, und es ist nicht imaginär.
Die Schauspieler gehen ans Fenster, sie geniessen den Ausblick. Sie lüften die Wohnung, das muss in dieser besonderen Zeit sehr oft gemacht werden.

Ab dieser Zeit und ohne Regisseurin bekommen sie einen Ausblick in die Zukunft. Sie fühlen sich nicht unter Druck, alle Theater haben zu, und sie beginnen Theater nach ihren Wünschen zu machen: Sie improvisieren, sie tanzen, sie diskutieren über Arbeitslosigkeit in Deutschland, über die 43 Verschwundenen Studenten in Mexiko, über Eurozentrismus, etc. Sie möchten viele Themen ans Theater bringen.
Sie sind drinnen, in einem abgeschlossenen Raum, sie schütteln sich die Hände nicht, sie umarmen sich nicht, sie halten die Hand nicht vor ihr Gesicht, sie machen keine Hamsterkäufe mehr, und sie beginnen Freunde zu sein. In dieser besonderen Zeit ist Solidarität das beste.

Natalia Lévano Casas

Heidelberg, den 29 März 2020.


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